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Dozent: Prof. Dr. Michael Ströhmer
Weder heilig, noch römisch, noch national
– das Alte Reich der Deutschen im
Musterbuch der Moderne
Bis heute scheitern Versuche, das Heilige Römische Reich deutscher Nation eindeutig von anderen europäischen Imperien abzugrenzen. Deutsche Kaiser herrschten bis 1806 weder über eine mächtige Monarchie, noch Republik, Aristokratie oder Oligarchie. Der Staatsrecht-ler Samuel von Pufendorf definierte das verzwickte Konstrukt im 17. Jahrhundert daher et-was ratlos als „unregelmäßiges, einem Monstrum ähnlichen Gebilde“. Einst als drolliges Uni-kat belächelt, erfuhr das Reich seit den 1980er Jahren nicht nur in den Geschichtswissen-schaften eine positive Umwertung. Wurzelten doch im mittelalterlichen Boden des „Römi-schen Reiches“ zahlreiche Ideen und Konzepte, die im 20. Jahrhundert zum Heranwachsen einer europäischen Friedensordnung beitrugen. Sei es der Gedanke eines föderalen Staaten-bundes („teutsche Libertät“), einer defensiven Militärverfassung („Landfriedensordnungen“) oder die gewaltfreie Lösung von Konflikten auf dem Rechtsweg („Reichskammergericht/ Reichshofrat“) – die längst verblassten Institutionen des Alten Reiches regen uns bis heute dazu an, in modernen Staatswesen nach Vorbildern aus der „Vormoderne“ zu suchen und diese kritisch zu diskutieren. Der Fokus des Seminars wechselt zwischen zwei Perspektiven. Aus der Vogelschau soll zunächst der Frage nachgegangen werden, wie die Maschinerie des Alten Reichs aus Sicht der Obrigkeiten funktionierte. Danach befragen wir westfälische Zeit-genossen aus der Provinz, welche Rolle Kaiser und Reich in ihrem Alltag als Reichsunterta-nen spielten.